Roswitha & Dieter
Pilgerweg Daugava |
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Daugava, ein Pilgerweg der Bilder
Schon früh waren Flüsse ein Bild der Welt. Bei Platon erzählt Sokrates „wie das auf der Erde unter dem Himmel beschaffen ist“, vom alles umschließenden Okeanos und dem Acheron, die für den Kreislauf des Lebens sorgen. Solche Ströme seien oft gegenläufig, wie der des brennenden Schlamm- und Ascheflusses Pyriphlegethon, der unter der Erde seinem dunkelblauen Gegenbild, dem Kokytos begegnet. Heute kann uns schon ein realer Fluss zum Bild werden. Und zu seinem eigenen Gegenbild. Zu solchen Flüssen gehört die Daugava, die durch Lettland fließt. Sie ist einerseits ein Bild letzter Naturschönheit; andererseits begegnet uns an ihren Ufern der weniger schöne Fluss der europäischen Kriegs-Geschichte. Die Kriegsmale beginnen bei Daugavpils mit einer Festung aus der Zarenzeit. Düsteren Kasematten schließen sich die Gemäuer einer Kasernenstadt an, deren Benutzer ständig wechselten - zuletzt der sowjetische KGB mit der deutschen SS und zurück. Den ganzen Flusslauf hinab erinnern Spuren des Deutschritterordens an die Absurdität von Eroberung und Unterwerfung im Namen des Christentums. Und kurz vor Riga folgt ein Wahrzeichen unserer schrecklichsten Absurdität: das KZ von Salaspils. Die Daugava fließt verständnislos an all dem vorbei. Sie versteht nicht, warum wir glauben, aus dem Wasser und dem Geiste neu geboren (Joh.3) zu sein. Denn Wasser ist die Mutter allen irdischen Lebens und hat nichts mit Kriegen um "Vaterländer" zu tun. Es spiegelt höchstens die Sehnsucht nach einer Mutter in uns - wie die Madonnenbilder, welche die Maler der Renaissance einst dem Strome der Kunst hinzufügten. Viele Jahre malte ich über
die Marienbilder Grünewalds, da Vincis, Dürers, Pontormos. Die
Malereien dienten unseren regionalen Kunstveranstaltungen - bis Roswitha
vorschlug, sie überregional einen letzten Weg gehen zu lassen. Gib
sie der Daugava, sagte sie, das könnte ihr ein Bild vom Menschen sein,
welches sie besser versteht.
Dieter Pentzek |
english version |
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